HCR gegen Floorball Köniz war der letzte Match von Sandra Zurbuchen und Corina Wehinger. In Köniz begann, was die beiden auf die ganz grosse Unihockeybühne bringen sollte: In ihrer Karriere haben die zwei Schiedsrichterinnen 406 Spiele zusammen geleitet und das Schweizer Unihockey international bestens repräsentiert. Kurz vor ihrem letzten Spiel als Schiedsrichterin erzählt Sandra Zurbuchen, wie alles begonnen hat, welches die besten Erlebnisse waren und was sie jetzt machen wird.

Morgen ist es euer letztes Spiel, wie fühlst du dich?

Ich freue mich sehr auf das Spiel und bin gespannt, wie es sich emotional entwickeln wird. Ich möchte mich zu 100% auf das Spiel fokussieren und nicht zu sehr daran denken, dass es unser letzter Auftritt ist. Schliesslich ist es für die Teams ein normales Meisterschaftsspiel. Im Moment fühlt es sich total richtig an, so abzuschliessen.

Warum seid gerade ihr zwei ein Schiedsrichterinnnen-Paar geworden?

Wir haben zusammen bei Floorball Köniz gespielt. Damals hatte der Verein zu wenig Schiedsrichter und jedes Team musste sein Kontingent selbst erfüllen. Wir mussten also zwei Schiedsrichterinnen aus dem Team stellen. Corina und ich haben uns dann freiwillig gemeldet, obwohl wir uns damals kaum kannten. Ich habe in die Runde gefragt, ob jemand mit mir pfeifen würde, und dabei die Kollegin hinter Corina angeschaut. Corina fühlte sich aber sofort angesprochen, so kam das Ganze zustande. Wir haben uns von Anfang an super verstanden!

Habt ihr die gleiche Art, Spiele zu leiten?

Wir sind zwei total unterschiedliche Persönlichkeiten: Während Corina sehr emotional ist und sehr viel redet, bin ich eher die ruhige und überlegte. Das spiegelt sich natürlich auch in der Art, wie wir das Spiel leiten. Da ich die Juristin bin, war ich immer zuständig für regeltechnische Fragen. Corina, die Sportwissenschaften und Psychologie studiert hat, hatte dafür immer die Aufgabe, die etwas hitzigen Spieler abzuholen und zu schlichten. Als Schiedsrichterinnen haben wir uns immer super ergänzt. Auch wenn von unseren Observern oft die Rückmeldung kam, wir müssten eine bessere Balance finden im Team. Am Sonntag wird unser 406. gemeinsames Spiel. Davon sind 167 Spiele in der NLA der Herren und 73 internationale Spiele (24 bei den Frauen und 49 bei den Männern).

Warum hört ihr beide gleichzeitig auf?

Wir haben den Entscheid gemeinsam gefällt. Schon nach der WM in Prag 2018 haben wir uns überlegt, welche Ziele wir noch verfolgen wollen. Da war klar, dass wir nach der WM in der Schweiz 2022 aufhören würden, sofern alles läuft wie geplant. Und das war dann auch der Fall: Mit der Teilnahme an der WM in Helsinki und dem Leiten des WM-Finals, der Teilnahme an den WorldGames und der Teilnahme an der Heim-WM haben wir alles erreicht. Dass wir dann sogar noch den Final an der Heim-WM pfeifen durften, hat den Entscheid noch einfacher gemacht. Wir hören beide auf, weil es schwierig wäre, nach dem Erreichten mit einer neuen Partnerin ganz unten neu anzufangen und weiterhin motiviert zu sein.

Seid ihr nach so vielen Jahren wie ein «altes Ehepaar»?

Wenn man 17 Jahre lang so viel Zeit miteinander verbringt, fühlt es sich schon an wie eine Beziehung. Wir kennen uns auch länger als unsere/n jeweilige/n Partner/in. In all der Zeit gab es natürlich auch mal Streit, wir wollten z.B. 2017 nach der U19-WM aufhören, weil wir uns vor dem letzten Spiel so schlimm gezankt hatten. Wir haben uns in all der Zeit auch beide persönlich weiterentwickelt und teilweise vielleicht etwas auseinandergelebt. Da mussten wir uns immer wieder miteinander auseinandersetzen und neu aufeinander einstellen. Halt, wie in einer richtigen Beziehung auch

Was sind deine besten Erinnerungen? Und die schlimmsten?

Wir haben so viele tolle Spiele erlebt, da ist es schwierigein Highlight auszuwählen. Sportlich gesehen war es natürlich der erste WM-Final in Helsinki 2021. Aber persönlich finde ich am wertvollsten, dass ich in all den Jahren so viele tolle Menschen kennenlernen durfte. Egal ob Verbandsleute, Spieler, Coaches oder Zuschauer. Am Ende ging es uns allen um das Gleiche: unsere Sportart mit Leidenschaft auszuüben. Ich habe sehr viel gelernt als Schiedsrichterin und bin einfach dankbar, dass ich das alles erleben darf. Schlimme Erinnerungen habe ich ganz ehrlich keine. Natürlich muss man sich als Schiedsrichter viel anhören und ist selten der Publikumsliebling. Aber diese Momente sind so unwichtig, dass sie schnell vergessen werden.

Welche Stärke muss ein/e Schiedrichter/in haben?

Wenn man als Schiedsrichter/in startet, muss man vor allem motiviert sein und den Willen haben, sich stets weiterzuentwickeln. Es ist wichtig, dass man sich selbst reflektiert und den Spieler/innen gegenüber auf Augenhöhe begegnet. Gewisse Kompetenzen werden sich dann automatisch weiterentwickeln, wie z.B. Kommunikations– und Entscheidungsfähigkeit sowie Führungsqualitäten. Man muss gerne mit Menschen arbeiten und andere Meinungen respektieren können. Der Job als Schiedsrichterin hat meine Persönlichkeit stark geprägt und mich gestärkt. Ich konnte so viele Erfahrungen sammeln und mir Eigenschaften aneignen, die mich auch im beruflichen Leben weitergebracht haben.

Wie würdest du junge Spieler/innen motivieren, Schiedsrichter zu werden

Jungen Spieler/innen, die vielleicht nicht das Talent oder die Ambitionen haben, bis in die höchste Liga aufzusteigen, würde ich aufzeigen, dass der Schirijobeine super Alternative ist. Man kann zu einem schnellen, fairen und attraktiven Spiel beitragen und geht am Ende nie als Verlierer vom Platz.

Wie haben die Spieler am Anfang reagiert, wenn zwei Frauen das Spiel geleitet haben?

Am Anfang waren die Reaktionen schon immer etwas ablehnend. Wir wurden mehrmals mit Helferinnen verwechselt und uns wurden Hotdog- und Getränkebons ausgehändigt, bis wir erklärt haben, dass wir die Schiedsrichterinnen sind. Da gab es öfters mal grosse Augen. Und natürlich haben uns auch die Spieler nie viel zugetraut. Auf der anderen Seite war der Respekt dann umso grösser, wenn wir uns erst einmal beweisen konnten. Es brauchte schon ab und zu eine dicke Haut. Aber unser Ehrgeiz war einfach zu gross, um uns von solchen Dingen aus der Bahn werfen zu lassen.
Rückblickend finde ich schon, dass sich die Mentalität weiterentwickelt hat, vor allem in den letzten 4-5 Jahren. In der Schweiz waren wir schnell etabliert und akzeptiert. Im internationalen Bereich mussten wir das dann alles nochmals durchmachen. Ohne die starke Unterstützung der Verantwortlichen von swiss unihockey und von der IFF wären wir sicher nie so weit gekommen. Und wir sind noch nicht am Ende des Weges: In Sachen Gleichstellung gibt es auch im Sport noch viel Entwicklungspotenzial.

Wirst du nach dem letzten Spiel weiter Unihockey-Matchs schauen?

Da mein Partner als Assistenztrainer bei den Tigers an der Bande steht, werde ich wohl öfters mal ein Spiel in Langnau schauen gehen. Das Spielen habe ich vor vielen Jahren aufgegeben, weil ich nicht mehr motiviert war. Das hat sich nicht geändert. Ich werde mir wohl eher eine neue Sportart suchen, z.B. Schwimmen oder Tennis, und im Winter natürlich langlaufen gehen.

Jetzt bist du ja frei, eine Prognose abzugeben: Welche Teams werden dieser Saison Meister?

Bei den Frauen hoffe ich auf die Skorps, da wäre es mal an der Zeit. Bei den Männern finde ich es diese Saison extrem schwierig: Für mich kommen viele Teams in Frage. Als Bernerin hoffe ich halt einfach, dass der Kübel wieder in unseren Kanton kommt.

Unihockey hat in deinem Leben viel Zeit und Platz eingenommen. Was sind deine nächsten Projekte?

Zuerst werde ich mal die Feiertage und die neue Freizeit geniessen. Im Frühjahr möchte ich dann unseren Wintergarten restaurieren. Mit einem eigenen Haus und Garten gibt es sowieso immer genug zu tun. Ich freue mich einfach darauf, auch wieder mehr Zeit mit meiner Familie und meinen Freunden verbringen zu können. Und vor allem freue ich mich, dass ich keinen Sporttest mehr absolvieren muss.

Floorball Köniz gratuliert Corina und Sandra zu ihrer grossartigen Karriere und sagt ganz herzlich Danke für ihr Engagement!

Bilder: Michael Peter/IFF und Fabian Trees